Finsterland-Saga

Finsterland


Ein immerwährender Krieg endet, als die befeindeten Soldaten in das verwunschene Nebelfeld preschen. Was dann passiert, ist schlimmer als die Jahrzehnte des Krieges zuvor:

Das Licht schwindet und die Welt wird von den aus dem Nebel geborenen Kreaturen, den Verdrehten, verheert. Es gibt nur zwei Dinge, die den Menschen Schutz bieten: Steinmauern und Wasser.

Maris und ihr Pa versuchen, den letzten verbliebenen Menschen zu helfen, müssen dabei aber ihre Magie verbergen. Denn die Magie wird für alle Probleme verantwortlich gemacht. Oder ist sie gar die Lösung, trotz der Monster, die sie hervorbringen kann?

Als die letzten Steine, die Rückzugsorte der Menschen, fallen, ist es an Maris, die Welt vor dem Fluch zu bewahren. Wenn sie nicht selbst verdreht wird.



Leseprobe

Der schielende Mann sieht unsere Blicke. Es bedarf keiner weiteren Worte. "Geht, Lichtmacher. Das Weib, mit dem ihr gelegen habt, erzählte mir, was sie Euch gegeben hat. Geht und rettet, was zu retten ist. Es bleibt nicht viel Zeit."

Damit drückt er mir einen schweren Beutel in die Hand. Bis jetzt hatte ich ihn nicht bemerkt. Der schielende Mann geht in den Stein zurück. Alles an seiner Haltung sagt, dass er aufgegeben hat.

Ich öffne den Sack und sehe Päckchen mit Wurzeln, Moos und zwei Wasserschläuche. Außerdem etwas Kleidung. Sie haben uns alle ihre Vorräte gegeben, die sie bereit sind herzugeben. Und wenn ich mir die Menge so ansehe, ist das alles, was sie nicht mehr brauchen, um durch das morgige Zwielicht zu kommen.

Ich zurre den Sack wieder zu. Pa ist schon auf den Baum geklettert und kommt vorsichtig mit dem ersten Rucksack herunter. Dann mit dem zweiten. Wir packen in aller Eile um und machen uns auf den Weg.

"Steinbrun liegt noch auf dem Weg. Meinst du, wir können dort noch etwas Brauchbares finden?"

Ich hebe die Schultern. "Kommt drauf an, was für ein Wissen der Verwunschene hat. Aber ich gebe zu, dass ich nichts gegen saubere Wäsche und eine Reinigung einzuwenden hätte."

Pa lächelt grimmig. "Aye, geht mir auch so. Lass uns gehen. Ich will so viele Meilen wie möglich zwischen diese Gruppe Verdrehter und uns bringen. Ich hoffe, dass es die einzige ist."

"Denkst du, er hatte Angst vor dem Stein? Oder war er zu beschäftigt, um selbst einzugreifen?", möchte ich von Pa wissen.

"Gute Frage. Das können wir nur herausfinden, wenn wir die nächste Finsternis abwarten. Aber ganz ehrlich: So lange möchte ich nicht in der Nähe bleiben", antwortet Pa mir.

Ich verstehe das gut. Der Verwunschene ist ganz eindeutig ein verdrehter Magier. In dieser Finsternis mag er unsere Magie vielleicht nicht bemerkt haben. Aber in der kommenden, wenn er nicht mehr so abgelenkt sein würde den Boden zu verderben, mochte das etwas anderes sein.

Wie die dunklen Kreaturen die Magier finden, ist bis heute nicht klar. Frednyk Baltasar wusste es auch nicht. Aber da wir deutlich die Magie des Verwunschenen gefühlt haben, und wir ebenfalls etwas Magie genutzt haben für unsere Verbesserte Sicht, wird er wissen, dass wir da waren. Und er wird uns verfolgen.

"Du weißt schon", sage ich dann, "dass es unwahrscheinlich ist, dass die Leute in Tiefenstein wissen, wo der genaue Standort vom Nebelfeld ist, oder?"

Pa sieht mich kurz an. "Schon möglich. Aber wir werden dort sicher Hinweise finden. In Tiefenstein soll es noch einige Magier geben."

Wir halten den ganzen Weg Ausschau nach Verdrehten und anderen Absurditäten, aber uns begegnet nur eine Handvoll verdrehter Tiere. Sie kümmern sich nicht um uns und wir uns nicht um sie. Es wäre ohnehin eine mehr als schlechte Idee gewesen, sie zu erlegen und ihr Fleisch zu essen. Und Leder brauchen wir im Augenblick keines. Auf dem Weg erklärt mir Pa einige Dinge in der Magie, die ich vor wenigen Zwielichten noch nicht in der Lage gewesen wäre zu verstehen.

Wir sind viele Zeiteinheiten gelaufen und machen nur Rast zum Essen und für unsere Notdurft. Wir müssen so viel Abstand wie möglich zu dem Verwunschenen bekommen.

Wir haben einige Theorien, warum sie Steinfurt auserkoren haben. Die wahrscheinlichste ist, dass er den in dem Raum versiegelten Magiestein von Frednyk Baltasar haben will. Wie schlau er ist, das können wir nur mutmaßen. Aber besser, wir gehen davon aus, dass er noch immer alle Schläue eines Magiers, also eines Gelehrten, hat.

Und wenn das stimmt, dann dürfte er zum einen wissen, dass die Versiegelung des Raumes aufgehoben ist. Und er hat sehr wahrscheinlich auch uns wahrgenommen. Möglicherweise lässt er in der kommenden Finsternis von Steinfurt ab und jagt nun uns.

Bei dem Gedanken läuft mir ein Schauer über den Rücken. Es ist allmählich spät und die Finsternis beginnt sich über das verdorbene Land zu legen. Steinbrun ist noch die halbe Finsternis entfernt.

Rast zu machen, obwohl wir müde sind, können wir uns nicht leisten. Wir brauchen einen Vorsprung.

Zu meiner Überraschung klettert Pa plötzlich einen Baum hinauf und bedeutet mir mit einem Winken, es ihm gleich zu tun.

Wir machen Rast, stärken uns mit etwas Moos.

"Ich habe über den Verwunschenen nachgedacht", beginnt Pa, nachdem wir gegessen haben.

"Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass er uns nicht bemerkt hat. Er war so erpicht darauf Steinfurt einzunehmen und in den Untergrund zu kommen, ihn zu verderben. Darauf hat er all seine Macht konzentriert. Nicht ein einziges Mal hat er in unsere Richtung geblickt. Entweder schützt die Erde das magische Versteck, oder dort ist noch etwas verborgen, was wir nicht gefunden haben."

Ich denke einen Moment darüber nach. "Du meinst das Buch, von dem die Frau gesprochen hat."

Pa hebt die Schultern. "Gut möglich. Versuche Zugang zu Baltasars Erinnerungen zu bekommen. Wusste er etwas über ein magisches Buch?"

Ich durchstöbere meine Erinnerungen. Oder besser gesagt, die Erinnerung von Frednyk Baltasar. Und dann bekomme ich Klarheit über die Finsternis, in der er sich dort unten selbst versiegelt hat.

"Dort unten ist kein Buch. Baltasar und sein Magier Freund Shane Wilfort waren unterwegs nach Steinwall und machten in Steinfurt Rast. Wilfort ist unterwegs von einem Verdrehten berührt worden. Sie haben seine Wunde ausgebrannt. Aber scheinbar haben sie sie nicht gründlich genug ausgebrannt, oder es gab mehr Stellen, die berührt worden sind. Er war dabei, gänzlich zu verderben. Baltasar hat sich unten vor ihm eingeschlossen. Scheinbar wusste er einige Dinge, die Wilfort nicht wusste. Über die Mission, die sie hatten. Das einzige Buch, dass Baltasar dabeihatte, war sein Tagebuch. Aber darin stand nichts, was wichtig gewesen wäre. Er war sehr vorsichtig mit dem, was er aufschrieb."

Pa denkt über meine Worte nach. Wir kommen beide zu demselben Schluss: Der Verwunschene war Frednyk Baltasars Freund Shane Wilfort.

Es war etwas Persönliches. Aber warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht schon kurz nachdem er verdreht worden war? Vielleicht, sinniere ich, liegt es daran, dass die Verderbnis größer ist als jemals zuvor.

"Ein Grund mehr, warum wir nach Tiefenstein müssen. Der Verwunschene wird die Leute verhören, sobald er in den Stein kann. Über kurz oder lang wird er von uns erfahren. Jeder im Stein weiß, dass wir das Zwielicht im Untergrund verbracht haben, obwohl wir mit unserer Arbeit fertig waren. Das gibt uns etwas Zeit. Wir rasten ein paar Zeiteinheiten und machen uns dann wieder auf den Weg. Allerdings sollten wir keine Magie benutzen, bis wir Tiefenstein erreicht haben", sagt Pa zu mir.

Ich nicke und klettere dann etwas weiter nach oben, wo eine etwas bequemere Astgabel auf mich wartet. Dabei bemerke ich, dass Nebel aufzieht. Ich mache Pa darauf aufmerksam.

Grimmig sieht er den Nebel an. Es ist kühl, aber nicht kühl genug für gewöhnlichen Nebel, der hin und wieder aufzieht.